Tag - basierte Organisation vs. Zeit - basierte Ordnung und Volltextsuche

Oder: warum ich für URLs lieber Diigo/del.icio.us statt Twitter verwende.

Ohne Zweifel: Twitter mag nett sein, um zu sehen, was andere gerade machen. Und man kann natürlich auch weiter in die Vergangenheit schauen. Und wenn man etwas suchen will, benutzt man die Suche. Doch eines fehlt: systematisches Wiederfinden. Ich muss sagen, ich möchte eine URL, die ich heute finde, morgen wieder finden. Und genau dafür sind Tags wie geschaffen - wenn man sie systematisch benutzt. Ich kann mir nicht ernsthaft vorstellen, dass Twitter-Nachrichten von vor einigen Monaten noch ernsthaft jemanden interessieren (es sei denn, er forscht). Dagegen interessieren mich auch noch Bookmarks von vor einigen Jahren.

Ein weiteres Beispiel: Ich suche eine Software für BibTeX. Egal was, einfach alles, von Import über Verwaltung bis Verwendung. Eine kurze Suche bei del.icio.us nach Bookmarks mit den beiden Tags fördert eigentlich alles zu Tage, was man sich nur wünschen kann. Eine suche bei Google findet potenziell mehr. Aber potenziell auch viel mehr Inhalt, der überhaupt nicht dem entspricht, was ich eigentlich wollte. Generell gilt, je allgemeiner die Suchbegriffe, desto schwieriger wird es. Auch wenn man nach speziellen Kriterien sucht, z.B. eine Software für GNOME, kommen einem Tags sehr zu gute. Allgemein kann man natürlich sagen, dass man über Socialbookmarking-Dienste weniger Seiten findet als über eine herkömmliche Suche. Aber es gilt auch: Was man findet, ist sehr, sehr hochwertig.

Jetzt fehlt eigentlich nur, dass es eine Suchmaschine gibt, die all diese Tags extrahiert und durchsuchbar macht, so dass man nicht nur Tags von del.icio.us hat, sondern von allen möglichen Seiten. Das Mittel der Wahl lautet natürlich: RDF. Wie ich sehe gibt es so etwas schon (wenn auch ohne RDF), in der Form von http://tagcentral.net - allerdings seeehr langsaaam und die Ergebnisse der einzelnen Quellen werden getrennt präsentiert.

Ich habe eine interessante Studie zum Thema Can Social Bookmarking Improve Web Search? gefunden, generelles Fazit ist, wie ich auch schon festgestellt habe, dass es natürlich etwas wenig URLs gibt. Interessant ist auch die Feststellung, dass Tags häufig Stichworten im Inhalt entspricht. Aus meiner Erfahrung heraus muss ich sagen, das stimmt natürlich, aber oft sind derartige Stichworte auch in anderen Inhalten zu finden, die gar nichts mit dem Stichwort als solches zu tun haben. Genau hier sehe ich den Vorteil von Tags. Tags sind allermeist sehr gut auf den Inhalt der verlinkten Seite zugeschnitten und können auf Grund der Vielzahl an Benutzern den Inhalt besser kategorisieren als reine (Inhalts)Stichwörter. Noch einmal zum Beispiel der Software-Suche. Häufig gibt es Seiten mit der Beschreibung einer Software, aber ohne die Information, unter welcher Lizenz diese steht. Ein Benutzer, der ein Bookmark erstellt, könnte aber z.B. das Tag GPL hinzufügen - ein Vorgang, der bei einer herkömmlichen Suchmaschine sehr schwierig wäre.

Um zum Untertitel zurückzukommen: Warum muss ich URLs bei Twitter posten, als Tinyurl, wo man weder sieht, wohin die URL führt noch Popularität oder dergleichen feststellbar ist? Ist das nicht ein riesiger Rückschritt? Warum kann man nicht einfach del.icio.us in der Art wie Twitter verwenden? Oder wie bei Diigo, wo man sogar Kommentare auf der Seite selbst hinterlassen kann, man in der Sidebar direkt sieht, welche Kommentare hinterlassen wurde, wer die Seite noch gespeichert hat und wer alles Seiten dieser Domain gespeichert hat?

FriendFeed scheint da schon besser zu sein, dort kann man Bookmarks (u.a. via del.icio.us) direkt importieren, doch hier fehlen auch bei del.icio.us-Feeds die Tags vollständig. Warum werden Tags derartig wenig beachtet, wo sie doch eine derartig geniale Organisationsmethode darstellen? Irgendwie ist mir das ein echtes Rätsel.